02.09.2025 Lesezeit: ca. 9 Minuten
An der Börse wird die Zukunft gehandelt. Und so fragen sich Anlegerinnen und Anleger oft, was ist der nächste große Trend? Große Fortschritte sind in den kommenden Jahren im Bereich der personalisierten Medizin zu erwarten. Das rückt Biotechnologie-Unternehmen und Pharma-Aktien in den Fokus. Interessant ist beispielsweise das Mainzer Biotechnologie Unternehmen BioNTech, das eine umfangreiche Produktpipeline besitzt.
BioNTech nutzt mRNA-Technologie für Corona-Impfstoff
Der Firmenname BioNTech steht für Biopharmaceutical New Technologies und ist treffend gewählt. Denn BioNTech nutzte zur Entwicklung seines COVID-19-Impfstoffs COMIRNATY® die mRNA-Technologie. COMIRNATY® ist das erste jemals zugelassene mRNA-Medikament.1
Die akute Bedrohungslage durch die Corona-Pandemie im Jahr 2020 veranlasste Biotechnologie-Unternehmen und Pharmakonzerne weltweit zu Kooperationen. Die Bündelung von Ressourcen in der Forschung (z. B. die zeitlich begrenzte Freigabe von Patenten) und die Nutzung globaler Produktionskapazitäten beschleunigten die Entwicklung eines Covid-Impfstoffes enorm. Hinzu kam die Erteilung von Notfallzulassungen durch die zuständigen Behörden. Innerhalb eines Jahres brachte BioNTech COMIRNATY® in Zusammenarbeit mit dem Pharmakonzern Pfizer von der Entwicklung bis zur Marktzulassung – ein Rekord in der Geschichte der Medizin.2 Normalerweise kann die Entwicklung eines Impfstoffs mit Grundlagenforschung, klinischen Prüfungen und Zulassung bis zu 15 Jahre dauern.3
BioNTech (noch) stark von Covid-Impfstoffen abhängig
COMIRNATY® ist derzeit BioNTechs einziges zugelassene Medikament am Markt. In den Jahren der Corona-Pandemie brachte es dem Biotechnologie-Unternehmen steigende Umsätze und Gewinne. Seit 2020 lieferte BioNTech 4,9 Mrd. Dosen seiner Covid-Impfstoffe aus.4 Da immer wieder neue Varianten des Corona-Virus entstehen, müssen die Covid-Impfstoffe angepasst werden und bleiben laut Aussage des Biotechnologie-Unternehmens ein wichtiger Bestandteil des Geschäfts.5
Allerdings sind die Einnahmen aus den Covid-Impfstoffen nicht mehr so hoch wie zu Zeiten der Pandemie. Mit dem voranschreitenden Impfschutz und dem Abebben der Pandemie ging auch die Nachfrage nach den Covid-19-Impfstoffen schrittweise zurück. BioNTech arbeitet daher mit Hochdruck daran, neue Therapien zur Marktreife zu bringen.
Quelle: BioNTech SE, Form 20-F, 2024
BioNTech forscht an individualisierten Krebstherapien
Bei der Suche nach einem Nachfolger für COMIRNATY® kann BioNTech auf ein breites Portfolio mit zahlreiche Produktkandidaten bauen. Dabei konzentriert sich BioNTech auf Immuntherapien für die Behandlung von Krebs und mRNA-Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten. Weit vorangeschritten ist BioNTech in der Forschung und Entwicklung von Krebstherapien. Hier befinden sich 17 Produktkandidaten in der 2. von insgesamt 3 Phasen der klinischen Prüfung, in denen die Sicherheit des künftigen Produkts geprüft wird.3 Sechs Kandidaten durchlaufen bereits die 3. und entscheidende Phase, nach deren erfolgreichem Abschluss die Zulassung bei den zuständigen Behörden beantragt werden kann.
Die besondere Herausforderung in der Onkologie ist die hohe Mutation von Krebszellen. Daher setzt BioNTech auf verschiedene Wirkstoffklassen wie mRNA-Immuntherapien, Zelltherapien und proteinbasierte Therapeutika. Ein großer Hoffnungsträger unter den proteinbasierten Therapeutika ist der bispezifische Antikörperkandidat BNT327. Bispezifische Antikörper besitzen bestimmte Oberflächenmerkmale, die es ihnen ermöglichen, sich auf der einen Seite an T-Zellen des Immunsystems und auf der anderen Seite an die Krebszellen anzudocken. Auf diese Weise werden die T-Zellen direkt zum Tumor gebracht und können ihn bekämpfen. Ein zweiter Mechanismus wirkt der Bildung von Blutgefäßen am Tumor entgegen. Der Tumor wird dadurch von der Nähr- und Sauerstoffzufuhr abgeschnitten, was dessen Wachstum und die Vermehrung verhindern soll.6 Im Unterschied zur Chemotherapie und Strahlentherapie wird durch diese neue Methode nicht mehr jede Körperzelle in Mitleidenschaft gezogen, was Nebenwirkungen reduziert.7
3 Facts:
- Nachfrage nach Krebstherapien wird steigen.
- BioNTech verstärkt sich durch Zukäufe und Kooperationen.
- Mehrere Produktkandidaten von BioNTech bereits in finalen klinischen Studien.
Personalisierte Medizin, die Zukunft der Pharmaindustrie
Wird KI zum Booster für die moderne Medizin?
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz dürfte zu einer Beschleunigung in der Forschung und Entwicklung neuer Therapien beitragen und die Zukunft der Pharmaindustrie sowie der Biotechnologie-Unternehmen maßgeblich prägen. Ein Einsatzgebiet ist die Wirkstoffforschung. Hier kann KI beispielsweise helfen, die molekulare Struktur von Medikamenten so zu verändern, dass diese von der Leber nicht herausgefiltert werden, bevor sie ihre Wirkung entfalten.
Darüber hinaus lässt sich die Stärke von KI in der Mustererkennung für die Suche nach Mutationen bereits bekannter Erreger nutzen. So mutierte beispielsweise das Spike-Protein des Coronavirus mehrfach. Je schneller solche Veränderungen erkannt werden, umso schneller steht fest, ob bestehende Impfstoffe weiterhin schützen. Falls nicht, können mRNA-Impfstoffe mit dem Bauplan des mutierten Spike-Proteins modifiziert werden.
BioNTech verstärkt sich mit Übernahme von Biotheus
Um in der Forschung und Entwicklung schneller voranzukommen, setzt BioNTech auch auf Übernahmen und Kooperationen. Anfang Februar 2025 schloss BioNTech die Übernahme von Biotheus ab. BioNTech kann damit die Expertise des chinesischen Biotechnologie-Unternehmens zur Entwicklung, Herstellung und Kommerzialisierung von bispezifischen Antikörperkandidaten sowie innovativer Kombinationstherapien nutzen und baut seine Präsenz auf dem chinesischen Markt aus.
Was noch wichtiger ist: Die Mainzer besitzen nach der Übernahme die vollständigen Rechte an den Pipeline-Kandidaten von Biotheus. Dies schließt die weltweiten Rechte am Hoffnungsträger BNT327 ein. Dieser könnte laut Prof. Dr. Ugur Sahin, CEO und Mitgründer von BioNTech, das Potenzial haben, zur Standardtherapie bei mehreren Krebsarten zu werden.11
„Wir glauben, dass BNT327/PM8002 das Potenzial hat, in mehreren onkologischen Indikationen einen neuen Behandlungsstandard zu setzen, der über die traditionellen Checkpoint-Inhibitoren hinausgeht.“
Prof. Dr. Ugur Sahin, CEO und Mitgründer von BioNTech, PM vom 13.11.2024
Strategische Kooperation soll BNT327 zur Marktreife führen
Um die Entwicklung und Kommerzialisierung von BNT327 für eine Vielzahl solider Tumorarten zu beschleunigen, schloss BioNTech mit dem US-Pharmakonzern Bristol Myers Squibb (BMS) eine globale strategische Partnerschaft. BMS verfügt über lange Erfahrung in der Bekämpfung von Krebs durch eine gezielte Mobilisierung des körpereigenen Immunsystems. Beide Unternehmen bündeln mit der Kooperation ihre Expertise und ziehen Vorteile aus der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und der globalen Präsenz.
Die Kooperation bringt BioNTech eine Vorabzahlung von 1,5 Mrd. US-Dollar sowie bis einschließlich 2028 zusätzliche Zahlungen in Höhe von 2 Mrd. US-Dollar von BMS. Darüber hinaus hat BioNTech Anspruch auf bis zu 7,6 Mrd. US-Dollar an zusätzlichen Meilensteinzahlungen. Die Entwicklungs- und Produktionskosten tragen BioNTech und BMS jeweils zur Hälfte, ebenso werden mögliche Gewinne und Verluste geteilt.12
Übernahme von Wettbewerber CureVac
Chancen und Risiken bei Investments in Biotechnologie-Unternehmen und Pharma-Aktien
Auch nach der Übernahme von CureVac hat BioNTech mit Moderna oder der Roche-Tochter Genentech namhafte Wettbewerber im Wettlauf um die Entwicklung von Krebstherapien. Durch die Fokussierung auf die Onkologie kann BioNTech im Erfolgsfall seine derzeitige Abhängigkeit von den Covid-Impfstoffen reduzieren.
Mit dem Verfolgen unterschiedlicher Ansätze zur Entwicklung von Krebstherapien diversifiziert BioNTech zugleich seine Produktpipeline. Das kann die negativen Auswirkungen möglicher Rückschläge in den klinischen Studien reduzieren. Diesem Risiko unterliegen grundsätzlich alle Biotechnologie-Unternehmen und Pharma-Unternehmen, die Medikamenten bis zur Marktzulassung entwickeln wollen.
Die Kooperationen von Biotechnologie-Unternehmen und Pharmakonzernen ist eine weitere Möglichkeit, dieses Risiko zu reduzieren. Mit Meilensteinzahlungen und der Bündelung von Ressourcen können Entwicklungskosten gesenkt werden, was im Falle negativer Studienergebnisse die Verluste für die Unternehmen Grenzen halten kann. Dies muss allerdings nicht für Pharma-Aktien und Aktien von Biotechnologie-Unternehmen gelten. Hier sind bei negativen Studienergebnissen negative Kursreaktionen zu erwarten, die sehr stark ausfallen können. Umgekehrt können Studienerfolge insbesondere bei neuen Medikamenten und Therapien zu einer neuen Bewertung der Biotechnologie-Unternehmen führen und deren Aktien stark steigen lassen.
Innovative Technologien und der Einsatz künstlicher Intelligenz beschleunigen die Forschung nach neuen Therapien für zahlreiche Krankheiten. Einige Menschen begegnen modernen Verfahren wie z. B. der mRNA-Technologie jedoch mit Skepsis. Wie stehen Sie dazu? Teilen Sie Ihre Gedanken mit uns und der Community!
Quellen:
1 BioNTech (https://investors.biontech.de/de)
2 BioNTech (https://www.biontech.com/de/de/home/about/who-we-are/history.html)
3 Leopoldina (https://www.leopoldina.org/themen/impfungen/impfstoffentwicklung-und-impfempfehlung/)
4, 5 BioNTech (https://investors.biontech.de/static-files/16b1053e-50cb-46ae-883d-d685a62a9f90)
6 BioNTech (https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/biontech-schliesst-uebernahme-von-biotheus-ab)
7 Universitätsklinikum Münster (https://www.ukm.de/aktuelles/ukm-onlinetalk-revolution-in-der-krebstherapie-bispezifische-antikoerper-und-adcs)
8 Statista (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/71032/umfrage/todesfaelle-infolge-von-erkrankungen/)
9 Statista (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1201649/umfrage/prognostizierte-anzahl-neuer-krebsfaelle-weltweit/)
10 BioNTech (https://investors.biontech.de/static-files/16b1053e-50cb-46ae-883d-d685a62a9f90)